Energieeffiziente Lösungen, hohe Ausfallsicherheit, zuverlässige Klimatechnik und krisensichere Stromversorgung – beim Bau oder der Modernisierung eines Rechenzentrums gibt es unzählige Punkte zu beachten. Doch welche Rolle spielt der Brandschutz in Bezug auf die Verfügbarkeit von Daten? Welche Brandschutzlösungen sind nachhaltig und verhindern auch im Ernstfall einen ungewollten Shutdown?
Oliver Heß, Experte für die Planung von Brandschutzlösungen für Rechenzentren und Niederlassungsleiter Frankfurt bei Bureau Veritas, erläutert in diesem Interview, welche Wichtigkeit das Thema Brandschutz in Rechenzentren hat und welche Probleme und Gefahren bei fehlender Sorgfalt entstehen.
Herr Heß, wie sind Sie zum Thema Brandschutz im Rechenzentrum gekommen?
Ich arbeite jetzt seit über 25 Jahren im Bereich Rechenzentren und habe alle Phasen von der Planung bis hin zum Betrieb begleitet. Das Thema Brandschutz spielt eine große Rolle, um Investitionen zu schützen (Gebäude/IT-Hardware) sowie einen kontinuierlichen Betrieb zu sichern und vor allem, um Leben zu schützen und zu retten. Persönlich konnte ich schon einige Erfahrungen von unterschiedlichsten Feuerwehreinsätzen innerhalb eines Rechenzentrums sammeln.
Welche Elemente spielen beim Brandschutz aus Ihrer Sicht eine grundlegende Rolle?
Der Brandschutz besteht aus drei wesentlichen Säulen: Dem baulichen, anlagentechnischen und organisatorischen Brandschutz. Diese drei Säulen sollten ineinandergreifen und sind wichtig für alle Gebäude, insbesondere Rechenzentren.
Es gibt eine Vielfalt an Brandursachen, seien es Überhitzung, ein Fehler in der Elektrik, menschliches Fehlverhalten oder andere Brandursachen. Diese sollten bei einer Planung mit beachtet werden, um Schäden zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten.
Was sind die Unterschiede der von Ihnen genannten Säulen im Brandschutz?
Der bauliche (vorbeugende) Brandschutz beinhaltet die bauliche Struktur des Gebäudes. Durch die bauordnungsrechtlichen Vorgaben aus den Bauordnungen, Richtlinien und Verordnungen werden der erforderliche Feuerwiderstand und die Baustoffe für die wichtigsten Bauteile des Gebäudes definiert. Beispiele für die Bauteile sind: Brandwände, Brandschutztüren, Trennwände usw. Je nach Art des Gebäudes gibt es unterschiedliche Vorschriften, wie z.B. die Versammlungsstättenrichtlinie, Garagenverordnung, Industriebaurichtlinie, Feuerungsverordnung etc.
Nicht selten werden aus individuellen Gründen (z.B. bauliche Zwänge, Wünsche des Bauherrn und/oder Versicherer) nicht alle Anforderungen aus den bauordnungsrechtlichen Vorgaben erfüllt. Dann müssen Kompensationen geschaffen werden, die eine gleichwertige brandschutztechnische Lösung gewährleisten. Hier kommt der anlagentechnische Brandschutz ins Spiel.
Der anlagentechnische Brandschutz beinhaltet die Vorgaben für die Ausführung der technischen Anlagen (z.B. Brandmeldeanlage, Sprinkleranlage, Lüftungsanlage, usw.) und der Installationen des Gebäudes. Bei möglichen Kompensationen im baulichen Brandschutz kann z.B. eine höherwertigere Ausführung des anlagentechnischen Schutzes des Gebäudes (z.B. Überwachung durch eine Brandmeldeanlage oder Schutz der Bauteile durch eine Sprinkleranlage) erfolgen.
Der organisatorische Brandschutz dient dem Betrieb des Gebäudes und wird u.a. in der Brandschutzordnung A-C dargestellt. Im Fokus stehen unter anderem folgende Fragen:
- Wie werden die Rettungswege sichergestellt?
- Wie und wo dürfen Brandlasten gelagert werden?
- Wie lautet die Vorgehensweise im Brandfall?
Dazu gehören aber auch Flucht- und Rettungspläne, Feuerwehrpläne, Gefährdungsbeurteilungen, sowie diverse Prozesse zur Vermeidung von Bränden.
Inwiefern unterscheidet sich der Brandschutz im Rechenzentrum von gewöhnlichen Gebäuden?
Beim Brandschutz betrachten wir immer zwei Seiten: Zum einen die Folgen und zum anderen die Ursachen eines Brandes. Die Folgen eines Brandes können für Unternehmen kritisch sein, da die Rechenzentren für die Dienstleistungen oder Produktion aller Art benötigt werden. Sei es die Buchhaltung, Kommunikationswege oder die Automation in der Produktion. Alles läuft heute über eine Serverinfrastruktur. Ohne IT wird es fast unmöglich den Betrieb aufrecht zu erhalten.
Ca. 8% aller Service- Unterbrechungen sind auf Brände zurückzuführen. Die ungeheure Energiedichte in Rechenzentren, die inzwischen Leistungen bis an die 100 MVA erreichen, nimmt größentechnisch die Fläche eines Fußballplatzes ein. Zum Vergleich: 100MVA ist die elektrische Leistung einer Stadt wie Darmstadt.
In einem gewöhnlichen (Büro-)Gebäude wird in Brandsituationen in der Regel alles abgeschaltet. Dies wird beim Brandschutz im Rechenzentrum mit Hilfe verschiedenster Sicherheitsvorkehrungen und Vorwarnsysteme versucht zu vermeiden, damit die Versorgungstechnik unterbrechungsfrei weiterläuft.
In welcher Phase der Rechenzentrumsplanung müssen Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt werden?
Wie auch bei Planungen von Gebäuden gilt: Je früher desto besser. Man sollte sich sehr früh über folgende Punkte im Klaren sein:
- Wie wichtig ist der Betrieb eines Rechenzentrums für mein Unternehmen oder als Dienstleister für meine Kunden?
- Welche unternehmenskritischen Prozesse sind davon abhängig und müssen aufrechterhalten werden?
Wenn ich mir über mein Schutzziel im Klaren bin, können die Planungen im Brandschutz optimiert werden und somit bei der Planung, dem Design, dem Bau und im Betrieb berücksichtigt und damit auch Kosten gespart werden.
Wie fange ich den Planungsprozess an?
Die Antwort auf diese Frage lautet immer gleich: Site Assessment. Egal ob es eine leere Fläche für einen Neubau oder eines Bestandgebäudes ist. Zunächst werden verschiedene Themenbereiche untersucht, wie z.B. Naturschutz, Löschwasserversorgung, Feuerwehrzufahrten (Abwehrender Brandschutz), gefährliche Industrie in der Nähe (Explosionsgefahr) oder Anforderungen an das Bauvorhaben (baurechtlich, technisch und organisatorisch). Erst wenn die Ergebnisse des Site Assessments einen unbedenklichen und risikoarmen Betrieb des Rechenzentrums bestätigen, kann zu den nächsten Planungsschritten übergegangen werden.
Welche Rolle spielt die Wahl der Immobilie oder des Raumes?
Es macht einen großen Unterschied ob ein Raum (z.B. Umwidmung einer Bürofläche) oder ein Gebäude als Rechenzentrum geplant, gebaut und betrieben wird. Die Beschaffenheit der Bauteile spielt beim Brandschutz eine große Rolle – Stichwort: Feuerwiderstand. Auch die Raumaufteilung ist wichtig.
Gebäude und Räume, die für die Nutzung als Rechenzentrum vorgesehen sind, verlangen eine fokussierte Planung auf die Schutzziele der jeweiligen Bauordnung. Hier wird man bei Bestandsimmobilien immer Kompromisse eingehen müssen. Bei Nutzungsänderungen in einem Bestandsgebäude müssen das bestehende Brandschutzkonzept sowie die brandschutztechnischen Maßnahmen entsprechend angepasst werden.
Welche Kosten entstehen beim Brandschutz im Rechenzentrum?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Kosten sind abhängig vom jeweiligen Projekt. Aus Erfahrung kann man sagen, dass umso früher der Fachplaner für den vorbeugenden Brandschutz im Projekt involviert wird, umso besser können Kosten kalkuliert und auch gespart werden. Man sollte beachten, dass statistisch gesehen 70 % der Firmen, die von einem Brandereignis betroffen waren, nach dem Brand insolvent gegangen sind. Die Nicht-Beachtung des Brandschutzes kann auch ohne ein Brandereignis zu großen Problemen führen. Beispielsweise bei einer Untersagung der Nutzung des Gebäudes durch die Bauaufsicht.
Wie kann Brandschutz nachhaltig gestaltet werden?
Der nachhaltige Betrieb von Anlagen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Um hohe Kosten resultierend aus Problemen & Hindernissen zu vermeiden, muss von Anfang an richtig geplant und Brandschützer sowie Betreiber früh genug involviert werden. Darüber hinaus sind regelmäßige Wartungen und Tests unabdingbar, um Kosten für Reparaturen oder den gesamten Austausch von Anlagen zu sparen. Auf den Einsatz von Sauerstoffreduktionsanlagen und chemisches Gas als Löschmedium sollte außerdem verzichtet werden, da diese Methoden nicht nachhaltig sind.
Welche Rolle spielt das persönliche Schutzziel beim Brandschutz im Rechenzentrum?
Eine große Rolle. Mein persönliches Schutzziel wird über Risikoanalysen erreicht. Beachtet werden muss wie oben erwähnt das Baurecht, die Richtlinien und Normen und der Versicherer. Im Blick muss man außerdem den Schutz von Leib und Leben haben, sowie die Möglichkeit eines Einsatzes der Feuerwehr zur Bekämpfung von Bränden und Rettung von Menschen, die in Not geraten sind.
Gibt es Standardlösungen beim Brandschutz?
Ganz klar nein. Der Brandschutz ist immer individuell und muss auf das jeweilige Projekt oder einen spezifischen Bereich abgestimmt werden.
Die Schutzziele der Bauordnungen können zum Teil unterschiedlich sichergestellt werden. So ist z.B. ein 1.000 m² großer Raum mit einer Raumhöhe von 10 m anders zu bewerten wie ein 100 m² großer Raum mit einer Raumhöhe von 3 m. In dem großen Raum mit dem großen Raumvolumen wird sich bei einem Brand der Rauch deutlich länger ausbreiten als in dem kleineren Raum mit dem kleineren Raumvolumen. So spielen viele Faktoren wie der Feuerwiderstand, die Anlagentechnik, die vorhandenen Rettungswege usw. eine große Rolle. Standardlösungen im Brandschutz gibt es nicht.
Wie wahrscheinlich ist der Brandfall und welche Auswirkungen hat er?
Je besser man sich an die o.g. Themen – also baulicher-, anlagentechnischer- und organisatorischer Brandschutz – hält, desto geringer ist ein Brandrisiko oder aus einem Brand resultierender Schaden. Ein Brandfall kann große Auswirkungen haben, von einem Leistungsausfall bis hin zu einer Firmenpleite oder dem Verlust von Menschenleben.
Vielen Dank für Eure Zeit und die vielen Informationen, Oli!
Da ist der VIRZ mit Bureau Veritas und Kapitano Oliver Hess wirklich um ein Flagschiff beim Thema Brandschtz reicher geworden!
Ich freue mich auf den ersten Brennpunkt zum Thema Sicherheit, in dem es primär um den Brandschutz in kritischen Infrastrukturen geht. Zuviele Zwischenfälle haben sich in der nahen Vergangenheit durch Unwissen und Fehleinschätzung ereignet.